Könntest Du bitte einmal Scans einstellen, danke.
Gruß
KJ
Eine nasschemische Analyse ist natürlich Blödsinn, weil sie die Marke zerstört. Es geht natürlich auch mit einer physikalischen Methode und die heisst Röntgenfluorenszenzspektroskopie.
Das ist eine gängige Methode um die Zusammensetzung eines Stoffes, insbesondere von Metallverbindungen, schnell und zerstörungsfrei festzustellen. Diese Methode gab es natürlich auch schon 1994, aber die beiden Prüfer wußten das wohl nicht. Hätten sie mal in ihrer Geschäftsstelle nachgefragt, denn da war der richtige Ansprechpartner für das Problem.
Dann bleibt immer noch die Frage, ob man so etwas in den Katalog aufnehmen muß, wenn eine einfache visuelle Unterscheidung nicht möglich ist.
Gruß
wuerttemberger
Ich hatte auch Anfang der 2000er Jahre bei Ebay einige dieser Marken erworben. Damals gingen die noch für 70 Euro über den Tisch. Ich habe die Marken dann mit dem Attest von Herrn Ludin zu Herrn Dr Oechsner zur Nachprüfung geschickt. Zurück kam sie mit einem kleinen Zettel, dass das Attest Unfug sei, da Wismuthsulfid schwarz sein. Lange Rede, kurzer Sinn, ich halte die Marke für falsch.
Ich habe dann versucht, über die damalige Bundesdruckerei herauszubekommen, ob eine solche Marke, auch als Probe, bei der Reichsdruckerei beauftragt wurde. Man schrieb mir zurück, dass leider die meisten Unterlagen hierzu in Berlin bei Bombenangriffen zerstört wurden. Ich frage mich nur, wie Herr Ludin das Wismut nachgewiesen hat oder hat lassen. Warum wurde dazu nie eine Analyse eines Labores vorgelegt? Und woher stammt die Aussage, es handele sich um Kriegsbeute?
Interessant wäre tatsächlich mal, eine Marke davon einer Röntgenfluorenszenzspektroskopie zu unterwerfen, nur kommt man da so schlecht dran. Aber die Philatelie schafft es ja nicht einmal, für die Farbbestimmung die Durchlichtmikroskopie (die, die wir im Biounterricht für die Zellen benutzt haben) zu etablieren. Da sieht man nämlich schnell, ob es eine andere Farbe ist oder nur eine Verdünnung oder durch den Zusatz von Trocknungsmittel die Farbe anders erscheint. Wahrscheinlich würde dies manche Farbabartenunterteilung ganz schön durcheinanderbringen. Aber das ist eine andere Geschichte. Vielleicht würde man da schon sehen, ob sich die Farbe dieses Probedrucks von der der Normalmarke unterscheidet oder nicht.
Mit besten Grüßen
Bernd
BISMUTSULFID?
Ja oder Nein Mi 784 ** P 9 (1942)
Attestat Emil Ludin
von
Dr. Udo Groß, Berlin
PROBEDRUCK DEUTSCHES REICH MICHEL NR. 784 P9 EINE EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNG ZUM NACHWEIS VON BISMUTSULFID Bi
2S
3EINLEITUNGWen interessiert schon eine unscheinbare Freimarke des Deutschen Reichs: Mi Nr. 784, 5 Pf. olivgrün von 1941? Nahezu keinen, könnte man meinen. Mein Interesse war rein zufällig auf Grund des Angebots eines Berliner Auktionskatalogs:
„5 Pfg. Hitler, postfrischer Probedruck mit Wismuthsulfid in der Druckfarbe, Attest Ludin (1982) 784 P9** 80.- Euro“. Der Begriff Wismuthsulfid hatte sofort mein Interesse als Chemiker gefunden. Ich fragte mich, wie kann ein chemischer Laie wie E. Ludin * mit einer nicht gerade alltäglichen Substanz chemische Analysen von Briefmarken im Mikro-Maßstab vornehmen?
* Ludin, Emil (1920-2006), BPP 1958-90, Prüfer für Probedrucke Deutsches Reich, Deutsche Besetzung Kotor, Zante, Zara
Nach einigen Recherchen habe ich eine entsprechende Marke im Internet erworben. Die Marke (Bild 1) war postfrisch in einwandfreiem Zustand und auf der Rückseite als Probedruck mit LUDIN BPP signiert. Diese war in einer ansprechenden Klappkarte von Richard Borek, Braunschweig, als Los B 61, Preis 190.- DM deklariert (Bild 2).
Bild 1 a und b, Probedruck mit Prüfzeichen Ludin
Beiliegend das Attest mit der laufenden Nummer 292 vom 14.04.1982. Der Prüfer bestätigte die Marke als ECHT. Die Art der chemischen Analyse ist angegeben, wobei die Marke durch die Analyse zerstört wurde. „Die Marke stammt angeblich aus Kriegsbeute in Berlin. Wahrscheinlich wurde diese in der Reichsdruckerei in Berlin zu Erprobungszwecken hergestellt.“
Bild 2 Angebotslos des Händlers R. Borek
Recherchen zur Geschichte des „Probedrucks“Um vor einer aufwändigen eigenen Untersuchung mehr Informationen über die Geschichte des Probedrucks zu erhalten, hatte ich Kontakt mit der Bundesdruckerei GmbH in Berlin-Kreuzberg aufgenommen, dem Rechtsnachfolger der früheren Reichsdruckerei. Die Antwort war knapp und enttäuschend: Es gibt kein Material und keine Daten über diesen Vorgang, da 60% der Reichsdruckerei, darunter das Archiv, im Luftschlag der USAF in der „operation thunderclap“ am 3.Februar 1945 zerstört wurden.
Die Bombardements und nachfolgende Räubereien wurden mir von bekannten Berliner Philatelisten bestätigt. In diesem Zusammenhang habe ich mit dem legendären Philatelisten, Prüfer und Auktionator Wolfgang Jakubek gesprochen, der die Situation miterlebt hatte. (Unter Kennern in Berlin geht die Geschichte, dass Isidor Fiskus, britischer Presseoffizier, vormals Wien, Jüdengasse 15, gegen Zigaretten beim Archivverwalter Postdokumente als Souvenirs für Besatzungssoldaten eingetauscht hat). Wieviele dieser Materialien tatsächlich zusätzlich verbrannt sind, ist nur schwer nachzuvollziehen.
Die Situation im Briefmarkengeschäft in Berlin unmittelbar nach dem Krieg beschreibt W. Jakubek [1] treffend und unterhaltsam aus eigener Erfahrung in seinem Buch aus dem Jahre 1999. In rhetorisch glänzender Verfassung habe ich ihn auch zu diesem Thema 2015 im Berliner Hotel Sylter Hof bei der Sitzung des Berliner Philatelisten-Klubs von 1888 erlebt.
W. Jakubek und E. Ludin, beide BPP, waren nicht immer beste Freunde, u.a. auch wegen des „Alpenvorland Adria Falls“. Ludin [2] hatte 1968 in der Michel Rundschau seinen Artikel „Dienstpost Blaue Adria“ veröffentlicht. Daraufhin kam es zu einer Anklage, wobei er aber vom Karlsruher Landgericht 1971 freigesprochen wurde [3].
Ludin hatte gute Kontakte zum PTZ, und in seiner späteren Periode war er nicht immer in seinen philatelistischen Entscheidungen voll akzeptiert.
Das Zertifikat von LudinEntsprechend dem Attest von Ludin enthält der Probedruck Wismuthsulfid in der Druckfarbe, was durch chemische Analyse angeblich nachgewiesen wurde.
Was ist die Besonderheit an der Substanz Bi
2S
3?
Wismuthsulfid ist ein schwarz-brauner unlöslicher Feststoff, der als Farbpigment nicht geeignet ist. Im Gegensatz dazu ist Bismutvanadat, BiVO
4, ein heute verwendetes Gelbpigment, das die in der Vergangenheit weit verbreiteten aber toxischen Pigmente Chromgelb, PbCrO
4, und Cadmiumsulfid, CdS, weitgehend substituiert hat. Metallisches Bismut und seine Verbindungen weisen wegen ihres starken Diamagnetismus als außergewöhnliche Eigenschaft eine starke negative Suszeptibilität χ
m = -0,24 x 10
-6 cm
3/g auf, d.h. dieses Material wird in einem äußeren Magnetfeld abgestoßen. Das ist letztlich die quantenchemische Konsequenz der vollständig besetzten Elektronenorbitale im Bismut, einem Element der 5. (bzw. 15. Gruppe der PSE-Langform) Hauptgruppe des PSE. Inwieweit diese Eigenschaft praktische Bedeutung bei der Postautomation haben könnte ist unklar. Vermutlich hat dieses besondere Verhalten zu der bekannten Geschichte der Marke beigetragen.
Die chemische Analyse der Marke wurde auf nass-chemischem Wege, also nicht zerstörungsfrei, nach der sog. Bettendorf Probe in Gleichung 1 vorgenommen, wobei viele Fragen bezüglich der fachlichen Kompetenz offen sind.
3 Sn(OH)
3 - + 2 Bi
3+ + 3 OH
- → 3 Sn (OH)
6 2- + 2 Bi ↓ (schwarz) Gleichung 1
Kurzgefasst, das gesuchte Bismut (III)-ion wird in einer Redoxreaktion im wässrigen Medium durch Zinn (II) Sn
2- zu amorphem schwarzem metallischem Bismut reduziert, das aus der Lösung ausfällt. Bei dieser Variante muss vorher die Marke vollständig in einer Säure aufgelöst werden, und um erfolgreich zu sein braucht man einen erfahrenen Chemiker und mehrere Versuche, um das Ergebnis statistisch und sicher zu verifizieren. Die Beschreibung der Ausführung zeigt jedoch, dass hier ein chemischer Laie tätig war. Das fängt bereits mit der chemischen Nomenklatur an. Wismuthsulfid als ein deutscher chemischer Elementbegriff ist des Öfteren falsch geschrieben. Zudem wurden die veralteten Formen Wismuth bzw. Wismut 1979 offiziell auf Grund der IUPAC Nomenklaturregeln durch Bismut ersetzt. Darüber hinaus ist das Reduktionsmittel Hydroxostannat (II), eine Zinn-Komplexverbindung, fehlerhaft geschrieben. Schwerwiegender jedoch ist der Lapsus im Attest „zu Metall Bi (III) reduziert“: Bi (III) ist nicht die reduzierte sondern oxidierte Form des Bismut, andererseits hat das Metall Bismut in der Gleichung per definitionem immer die Oxidationsstufe Null anstatt Drei. Es scheint, dass hier jemand das aktuelle Lehrbuch [4] der Analytischen Chemie dieser Zeit benutzt hat ohne den chemischen Hintergrund zu verstehen.
Ein weiteres Argument in dieser Diskussion ist die mögliche Konzentration des nachzuweisenden Bismutsulfids. Im Mittel werden für den Briefmarkendruck 1,5 g Druckfarbe pro m
2 benötigt, das sind ca. 0,65 mg/Marke. Eine grobe Abschätzung ergibt dann 1,05 x 10
-4 g Bi pro Marke, das entspricht 0,0001 g (unter der Voraussetzung, dass dem Farbstoff 10 % Bi
2S
3 zugesetzt wurde. Höhere Anteile würden sicherlich den Farbton stärker tangieren) Die absolute Menge von 0,1 mg Bi ist aber die Nachweisgrenze für die Reaktion und deshalb äußerst kritisch zu sehen.
Bild 3 Original-Attest Nr. 292 mit der Expertise von E. Ludin vom 14.04.1982
Zudem ist es a priori ein fragwürdiges Verfahren, den Nachweis beim Verlust des Objekts zu
führen. Dieses schlagende Argument hat BPP Hans-Georg Schlegel [5] angeführt und die Attestierung als „kompletten Unsinn“ bezeichnet. Er forderte deshalb die Marke nicht im Michel Katalog Deutschland Spezial zu führen. Tatsächlich wurde der angebliche Probedruck in der Ausgabe 1987 unter „1941 Adolf Hitler, weitere Besonderheiten“ folgendermaßen erwähnt: „Während der letzten Kriegsjahre wurden für verschiedene Freimarken z.B. Nr. 784 Farben in anderer chemischer Zusammensetzung als üblich verwendet, die sich aber nur durch chemische Analyse nachweisen lassen. Eine gesonderte Katalogisierung erscheint daher selbst für einen Spezialkatalog zu weitgehend“.
Erst 1990 wurde dieser Absatz aus dem Katalog entfernt. Aber unabhängig davon wird die Marke weiterhin inseriert und bis heute auch gehandelt.
Essay-Rarität und ihr HandelDer erste Händler dieser Marke überhaupt war offensichtlich das Handelshaus Richard Borek, der in einem Schreiben vom 26.04.1982 an potentielle Käufer mitteilte sich die exklusiven Verkaufsrechte für Deutschland gesichert zu haben. Der Preis für die zertifizierte Marke betrug 190.- DM. In dem Anschreiben an die Sammler spricht Borek sehr detailliert von einem Versuchsdruck der Reichsdruckerei am 8. 1. 1942 mit einer Anzahl von 100-derter Bögen, die sicherlich an Wert gewinnen werden. Nach meinen Recherchen könnte es sich um 5 zertifizierte Bögen mit 10x10 Marken handeln, insgesamt also 500 Marken. Im Internet habe ich Verkaufsangebote mit den laufenden Nummern Nr. 1 vom 16.1. 1982 (als kleinste) bis Nr. 499 vom 15.5.1982 (als höchste) gefunden, jedoch keine darüber hinausgehende Nummerierung. Die Zertifizierung durch E. Ludin wurde vermutlich in mehreren Paketen vorgenommen.
Im Gegensatz zu Ludin, der Wismuthsulfid nachgewiesen haben will (?), spricht Borek von einem Zusatz eisenhaltiger Verbindungen. Diese sollten durch eine magnetische Reaktion den Post-Automatisierungsprozeß ermöglichen. Ohne dem Ergebnis meiner Untersuchung vorzugreifen, kann ich sagen, dass Eisen sowohl im Pigment wie auch im Papier nicht vorhanden ist.
Auf meine Anfrage an das Handelshaus nach weiteren Informationen zum Probedruck kam die Antwort, „dass vor Jahren diese Marke tatsächlich angeboten wurde. Gegenwärtig gibt es jedoch keine weiteren Informationen dazu in unserem Archiv. Wir machen aber das Angebot, eine Untersuchung der zurückgesendeten Marke anzubieten“.
Legenden, Fälschung, BetrugMit den zur Verfügung stehenden Informationen kann der wahre Zustand dieser Marke nicht aufgeklärt werden. Verständlicherweise ist der allgemeine Eindruck der deutschen Sammler und Philatelisten zur Authentizität dieser Marke skeptisch zu sehen wie man den Diskussionen in den entsprechenden Internetforen entnehmen kann. Es gibt mehrere Fakten, die geklärt werden sollten. Dabei sind folgende Möglichkeiten zu beachten:
Die Marke
a. enthält Bismutsulfid (die Legende ist wahr!)
b. enthält keine weiteren Zusätze (es handelt sich um Betrug)
c. eine Normalmarke Mi 784 wurde nachträglich manipuliert und verfälscht (Fälschung)
Bild 4 Angebotsbrief des Handelshauses von 1982
Die Fälle a und b sind Gegenstand dieser experimentellen Untersuchung. Der Fall c jedoch, die nachträgliche chemische Verfälschung, wurde bisher nicht in die Betrachtungen einbezogen. Von einem Philatelie-Experten wurde ich darauf hingewiesen, der Details von einem ähnlichen Fall der chemischen Verfälschung durch fachkundige Chemiker hatte. Natürlich ist das Fälschen von gummierten postfrischen Marken nicht simpel. Man muss in jedem Fall wässrige Medien und sogar Luftfeuchtigkeit strikt ausschließen. D.h. man muss die Reaktion in der Gasphase mit gasförmigen Reaktanten durchführen; wobei nach vorliegender Situation und Eignung die Gase Chlorwasserstoff, Chlor, Schwefeldioxid, Ammoniak, Schwefelwasserstoff etc. angewendet werden können. Nach meiner Kenntnis ist keine entsprechende Bismutverbindung in dieser Beziehung existent und anwendbar; damit ist der Fall c wenig relevant.
Einige der genannten Gase sind extrem toxisch, jedoch in den Händen von erfahrenen Chemikern mit den geeigneten Hilfsmitteln gut handhabbar. Diese Überlegungen sollen jedoch nicht weiter ausgebreitet werden, um Fälschungen dieserart Vorschub zu leisten.
Experimentelle Untersuchungen mit modernen instrumentellen VerfahrenRöntgenspektroskopie mit REM-EDX
Um mit entscheidender Sicherheit Licht in die Bismutfrage zu bringen, muss man ein effizientes und zerstörungsfreies analytisches Verfahren anwenden. In dieser Hinsicht kann man an schwingungsspektroskopische Verfahren wie FT-IR und Laser Raman Mikroskopie denken; jedoch ist die detektierbare Bi-S-Valenz-Schwingung in einer unbekannten und komplizierten Pigmentmischung nur schwierig sicher nachzuweisen. L. Valli [6] (Universität Lecce, Italien) hat erfolgreich mit Hilfe von FT-IR die gesamten Briefmarkenausgaben Italiens der letzten 150 Jahre, insbesondere hinsichtlich Papier, Füller und Gummierung untersucht und in einer Datenbank zusammengefasst.
Die Methode der Wahl zum Titelthema ist aber zweifelsfrei ein Röntgenverfahren wie EDX (Energy Dispersive X-ray spectroscopyy) [7] oder XRF (X-Ray Fluorescence). Beide Methoden sind sich sehr ähnlich, und unterscheiden sich nur in der Art der Anregung, Handhabung und Preis. Das von mir verwendete Rasterelektronenmikroskop (REM) für die EDX-Messung ist kompakt und stationär, während XRF mit einem transportablen Handgerät ausgeführt werden kann. Diese experimentelle wissenschaftliche Untersuchung ist Teil der sog. „Forensischen Philatelie“, die vom Smithonian Institute of Analytical Philately in Washington DC (USA) begründet wurde.
Röntgen-Spektroskopie: Prinzip und Experiment7Ein Elektronenstrahl mit einer Energie zwischen 20-50 keV scannt die Briefmarke in einem Vakuum von mindestens 10
-6 Torr im Bereich von 5x5 mm bis zu 2x2 μm (Verstärkung 200.000). Die Primärelektronen PE wechselwirken mit den Atomen der Probe. Die reflektierten PE, sog. „backscatter electrons“, werden mit einem Detektor gesammelt und ergeben die Morphologie (SEM) des Objekts in einem bildgebenden Verfahren. Wenn jedoch Elektronen von einer inneren Elektronenschale des Atoms entfernt werden, wird diese Vakanz durch ein Elektron einer höheren Schale aufgefüllt, wobei die Emission einer typischen Röntgenstrahlung erfolgt. Jedes Element hat charakteristische Linien in diesem Röntgenspektrum; der Detektor analysiert die Energie der Photonen (EDX) entsprechend den Elementen. Der Vorteil dieses Verfahrens im Vergleich mit XRF (Röntgenfluoreszenz) besteht u.a. darin, dass auch leichtere Elemente, sog. „low Z elements“, nachweisbar sind. Die experimentellen Untersuchungen wurden mit einem Elektronenmikroskop JEOL 6000 mit BRUKER-EDX-Detektion ausgeführt (Bild 9). Die Nachweisgrenze liegt bei 0,2%.
Die stärksten Peaks im Bild 5 dieser Untersuchung zeigen die Elemente Barium, Calcium Aluminium und Schwefel an, neben geringeren Anteilen von Natrium, Kalium, Titan und Chlorid. Diese Elemente stehen für Papierfüller wie Tonerde Al
2O
3, Calcit CaCO
3 und Gips CaSO
4 sowie die Weißmacher Bariumsulfat BaSO
4 und Titanweiß TiO
2.
Die erwarteten Elemente Bismut (Ludin) und Eisen (Borek) sind in dieser Marke definitiv nicht vorhanden.Im Gegensatz zu den klassischen Briefmarken, beginnend vor exakt 100 Jahren, die nahezu ausschließlich mit anorganischen Farbpigmenten gedruckt wurden, ist diese Marke mit einem synthetischen organischen Farbstoff gedruckt. Dieser besteht im Wesentlichen aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff und Chlorid und ist unspezifisch für diese Methodik. Die Peaks liegen im Bild 5 weit links bei 0,27, 0,39 und 0,52 keV. Es könnte sich hier evtl. um Malachitgrün, einem organischen Farbstoff aus der Gruppe der Triphenylmethane, handeln. Dieser Farbstoff ist nicht sehr lichtecht und stark pH-abhängig.
Bild 5 Röntgenspektrum der von E. Ludin zertifizierten Mi 784, Probedruck
Da in der untersuchten Marke sowohl Bismut wie auch Eisen nicht vorhanden waren, wurde zum Nachweis Sicherheit der Methodik die bismuthaltige Referenzprobe ( Bi(NO
3)
3 . 5 H
2O ) im gleichen Modus untersucht. Das erwartete Ergebnis mit den sehr starken Bismut-Peaks bei 10,8 keV (L α
1) und 2,53 keV (M
β) zeigt Bild 6. Beide Peaks korrespondieren mit den L- und M-Serien der Termschemen entsprechend der Theorie.
Data Processing mittels Mapping-Modus Mit dem Mapping-Modus für ein bestimmtes Element kann man im Rahmen dieser Untersuchungen eine „Karte“ erstellen mit dem Ziel, alle Bereiche der Marke mit einem bestimmten chemischen Element anzutreffen, z.B. am nicht bedruckten Markenrand, in der Druckfarbe, im Stempel oder im Schriftzug.
Bild 6 EDX Referenzspektrum von Bi(NO
3)
3 . 5 H
2O
Mit einem Ca-Mapping (für CaCO
3) findet man in diesem Fall (Bild 7), dass dieser Zusatzstoff und Füller ausschließlich im Papier und der Wertziffer 5 enthalten ist, jedoch nicht in der Druckfarbe des Markenbilds. Umgekehrt ergibt das Barium-Mapping (Bild 8), dass Bariumsulfat als Weißmacher nur in der Markenfarbe jedoch nicht im Papier enthalten ist. Ein weiteres Mapping für Titan (Titandioxid als Weißmacher und Reflektor, nicht als Bild abgebildet) ergibt wie für den Fall des Bariums nur den Zusatz in der Druckfarbe zur Verbesserung der Farbbrillanz und Reflexion.
Bild 7 Calcium Mapping
Bild 8 Barium-Mapping
ErgebnisseDie Untersuchung hat gezeigt, dass Bismut wie auch Eisen in der Druckfarbe der Marke entgegen dem Testat von E. Ludin nicht enthalten ist. D. h. die Marke ist in diesem Sinne nicht chemisch durch Zusätze verfälscht. Die Testierung und Begutachtung als Probedruck sind dagegen nicht korrekt sondern betrügerischer Art. Die vermutlich 500 existierenden Marken, auch wenn nicht als Probedrucke akzeptierbar, sollten wegen ihrer Historie als Raritäten angesehen und auch dementsprechend bewertet werden.
Bild 9 SEM-EDX Mikroskop mit Autor
Literatur[1] Wolfgang Jakubek, Menschen, Marken und Marotten, Sonderausgabe für die Deutsche Post AG, Gütersloh 1999
[2] Emil Ludin, Michel Rundschau 3, 1968, 270-74
[3] Der Spiegel (Hamburg) 9, 1973
[4] Lehrbuch der analytischen und präparativen Chemie, S.Hirzel Verlag Leipzig, 1962, 248
[5] Hans-Georg Schlegel, Michel Rundschau 6, 1994, 444
[6] E. Imperio, G. Giancane, L. Valli, Anal. Chem. 85, 2013, 7085
[7]
http://www.Energydispersive-x-ray-spectroscopy und Zitate darin
© copyright 2016 by Udo Groß